Vor der Bellealliancestraße 66 liegt seit einigen Tagen ein neuer Stolperstein für Ivan Andrade. Diese Messing-Steine erinnern an Menschen, die im NS-System ums Leben kamen.
Wir laden Sie herzlich ein, sich am Freitag, den 13. Dezember 2024, um 16.30 Uhr mit uns am Stolperstein zu treffen, um an dieses Opfer des NS-Regimes zu erinnern. Wir werden Blumen niederlegen und möchten in einer ruhigen Atmosphäre des Gesprächs gedenken.
Wer war Ivan Andrade?
Ivan Andrade betrieb zusammen mit seiner Frau (Name) im Erdgeschoss ein Zigarren- und Zigarettengeschäft. Dieses wurde während der Novemberpogrome 1938 zerstört. Ivan Andrade wurde ins KZ Sachsenhausen verschleppt, wo er schwer misshandelt wurde und nicht mehr gehen konnte. Erst nach dem erzwungenen Verkauf seines Geschäfts wurde er aus Sachsenhausen entlassen. Anschließend mussten er und seine Frau die Wohnung in der Bellealliancestraße 66 aufgeben. Ivan Andrade starb 1945 an den Folgen der Misshandlungen im Israelitischen Krankenhaus in der Schäferkampsallee 29.
Artur Prager aus der Bellealliancestraße 68
Ein weiteres Opfer der Novemberpogrome 1938 war Artur Prager, der eine Drogerie in der Bellealliancestraße 68 betrieb. Auch sein Geschäft wurde am 10. November 1938 zerstört, und er wurde – wie Ivan Andrade – ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Nach seiner Entlassung wurde er am 8. November 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet.
Weitere NS-Opfer aus der Bellealliancestraße
Im Wohngebiet zwischen Fruchtallee, Schäferkampsallee, Altonaer Straße und Schulterblatt/Eimsbütteler Chaussee lebten zahlreiche jüdische Menschen. Daher findet man in fast jeder Straße Stolpersteine.
Bis zu den Deportationen und der systematischen Ermordung der jüdischen Bevölkerung in den besetzten Ostgebieten war es das Ziel des NS-Regimes, jüdische Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Neben öffentlicher Hetze und den Novemberpogromen 1938 wurde ihnen ihr Eigentum geraubt – von Häusern und Geschäften bis hin zu alltäglichen Dingen wie Besteck. Ab 1939 verloren sie ihr Wohnrecht, und Vermieter konnten sie mit einer Frist von nur 14 Tagen kündigen, die oft noch willkürlich verkürzt wurde. Staatliche Fürsorge, ärztliche Versorgung und der Zugang zu Krankenhäusern waren ihnen verboten.
Enteignung von Immobilien in der Bellealliancestraße
Zur Enteignung jüdischen Eigentums kam es auch bei den Hypotheken. Sie wurden kurzfristig gekündigt. Über die Auszahlung konnten sie nicht mehr verfügen. So war eine Stiftung der jüdischen Gemeinde an den Häusern in der Bellealliancestraße 54, 60-66 und 70/72 beteiligt. Das Vermögen der Stiftung, an die die Hypothek ausgezahlt wurde, wurde beschlagnahmt und floss in die Kasse der damaligen Finanzbehörde.
Beispiele weiterer NS-Opfer aus der Bellealliancestraße:
- Meta und Heimann Freundlich lebten seit Ende 1938 zur Untermiete in der Bellealliancestraße 66. Heimann Freundlich musste 1938 sein Geschäft in der Agathenstraße 7 (nahe der Weidenallee) verkaufen. Die Freundlichs wurden am 8. November 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet. Ihre Nichte Erika Freundlich entkam am 3. Dezember 1938 mit einem Kindertransport nach England. Sie verstarb letztes Jahr im Alter von 100 Jahren in New York.
- Hertha Sternberg war Eigentümerin mehrerer Häuser in der Bellealliancestraße 56/58 sowie in der Fettstraße 36. 1938 wurde sie gezwungen, ihre Immobilien weit unter Wert zu verkaufen, während die Erlöse vom NS-Regime beschlagnahmt wurden. Ihr Mann musste bereits 1936 die hinter den Häusern gelegene Regelmantelfabrik verkaufen. Später wurden dort sowjetische Zwangsarbeiterinnen eingesetzt, und die Fabrik produzierte Regenmäntel für die SS.
Ermordung kranker Menschen in der NS-Zeit, die in der Bellealliancestraße aufwuchsen
Ab 1941/42 begann das NS-Regime, systematisch Menschen mit Behinderungen zu ermorden – bis zu 300.000 allein in Deutschland. Viele von ihnen wurden aus Einrichtungen wie den Alsterdorfer Anstalten in sogenannte „Pflegeanstalten“ verlegt, wo sie vergast, zu Tode gespritzt oder durch Hunger ermordet wurden.
- Gertrud Haßforther, wohnhaft in der Bellealliancestraße 47, wurde 1935 in die Alsterdorfer Anstalten eingewiesen und später in Wien in einer solchen „Pflegeanstalt“ ermordet.
- Else Tesch aus der Bellealliancestraße 11 erlitt dasselbe Schicksal.
Stolpersteine mahnen und erinnern uns
Heute erinnern Stolpersteine an Ivan Andrade, Artur Prager, Meta und Heimann Freundlich sowie Wilhelm Lutz. Für Else Tesch und Gertrud Haßforther fehlen bisher Stolpersteine. Wenn Sie sich für das Thema interessieren, wir auf die Webseite der Hamburger Stolpersteine hinweisen. Eine Patenschaft kostet 120 €. Weitere Informationen finden Sie unter www.stolpersteine-hamburg.de im Bereich „Pate/Patin“.
Vielen Dank für Ihr Interesse – und vielleicht sehen wir uns am Montag, den 9. Dezember 2024, um 17 Uhr vor der Bellealliancestraße 66.