Daniel Dublon wohnte von 1934 bis 1941 in der Curschmannstraße 11. Er wurde am 19. Juli 1942 mit seiner Frau Grete, seiner Tochter Hilde und seiner Schwester Henny über die Schule Schanzenstraße beim Bahnhof Sternschanze nach Theresienstadt/Terezin in der CSR deportiert. Am 15. und 19. Juli 1942 wurden damals über 1.700 jüdische Menschen deportiert. Nur wenige überlebten, Daniel Dublon war einer von ihnen. Er erlebte die Befreiung durch die Rote Armee 1945 und zog später wieder mit seiner Familie nach Hamburg.
Als Nachbar bemühe ich mich mit anderen aus unserem Wohngebiet um die Erinnerung an diese letzten große Massendeportationen über die Schule Schanzenstraße im Viertel. 2022 jährt sich dieses Geschehen zum 80.-Mal. Aus diesem Anlass finden an verschiedenen Orten in Hamburg Aktivitäten statt. Unser Ziel ist es, aus den Erzählungen über die Schicksale dieser Menschen eine Erinnerung zu bekommen, wer einmal in unseren Wohnungen und Häusern lebte und wie die Nazis ganz konkret in unseren Straßen ihre Verbrechen und ihre rassistischen und antisemitischen Vernichtungsstrategien vollzogen haben. Sie finden alle Geschichten und Erzählungen auf dieser Website: www.sternschanze1942.de
Warum eine Erinnerung an Daniel Dublon?
Daniel Dublon wurde im Juli 1942 deportiert, lebte zuvor längere Zeit im Schanzenviertel. Seine Tochter Hilde ging in nah gelegene Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße 35 (heute gegenüber der Hamburg Messe). Bis zum Berufsverbot als Viehhändler 1937 arbeitete er auf dem Hamburger Schlachthof am Sternschanzen-Bahnhof, kaufte und verkaufte Rinder und Schweine. Heute finden Sie hier die Restauration “Die Bullerei” und das “Elbschloss” der Holsten-Brauerei auf dem ehemaligen Schlachthofgelände.
Curschmannstraße 11
Daniel Dublon war 1938 in die Curschmannstraße 11 gezogen, in dem die Familie in einer 3 ½ Zimmerwohnung bis zum erzwungenen Umzug 1941 in das “Judenhaus” im Jungfrauenthal 37 lebte. Der 1890 geborene Daniel Dublon lebte hier mit seiner zweiten Frau Hertha Stern und deren Tochter Ruthim 3. Stock. Seine Schwester Henny war 1939 zu ihnen gezogen, da die Nazis sie gezwungen hatten, ihr Elternhaus in Lüneburg zu verkaufen. Zum Zeitpunkt des Einzugs der Dublons gehörte das Haus noch Leopold Nussbaum und Alexander Hulda. Auch sie wurden 1938/1939 als Juden von den Nazis gezwungen, ihre Immobilie an “Arier” zu veräußern, denn Deutschland sollte “judenfrei” werden und dazu gehörte, dass sie kein Eigentum mehr haben sollten. In diesem Zeitabschnitt ging es noch darum, die jüdischen Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Nussbaum und Hulda wurden gezwungen, die Curschmannstraße 11 an den Hamburger Großhändler Sengbusch & Co zu “verkaufen”.
“Ich entsinne mich genau, dass in der Curschmannstraße zwei Zimmer nach vorn heraus gelegen hatten, das dritte Zimmer lag im Anschluss an das eine Vorderzimmer nach hinten heraus, “erzählte später die Freundin der Familie, Mary Kober, über die Wohnung der Familie Dublon. “Auf der Diele stand die Einrichtung für das Herrenzimmer. “ Diese Einrichtung entstammte aus seiner Zeit, als Daniel Dublons als Geschäftsführer der Hamburger Viehhändler, die ihren Sitz seit 1930 in der Schanzenstraße 75/77 hatte. Vorher war die Geschäftsadresse des Vereins seine Wohnung in der Schanzenstraße 54 gewesen. In der Schanzenstraße 75/77 ist heute die Volkshochschule siedelt und üblicherweise als “Montblanc-Haus” bezeichnet wird, da das Unternehmen Montblanc hier einst Mieter und später Eigentümer gewesen war. Dublon übernahm 1930 aus dem Bestand des Eigentümers dessen privaten Einrichtung in der Schanzenstraße und verwendete sie für sein Herrenzimmer, das aber in der Curschmannstraße 11 nicht mehr eingerichtet werden konnte. Als Dublons geschäftlicher Erfolg begann, lag die NSDAP in Hamburg bei Reichstagswahlen bei 2,6 Prozent. Der Antisemitismus hatte seine widerwärtige Vertretung damals noch in der bürgerlichen DNVP, die damals auf 12,8 Prozent der Stimme hatte. Die DNVP und der “Stahlhelm” bezeichneten sich als “deutsche Faschisten”, um sich von der NSDAP abzugrenzen.
Daniel Dublon war seit 1934 in zweite Ehe mit Hertha, geborene Stern, verheiratete Littmann. In der Curschmannstraße wohnte auch Herthas Tochter Ruth geboren in ihrer ersten Ehe am 21. Februar 1926. Hertha und Ruth konnten 1939 nach England fliehen. Daniel wollte ihnen folgen, aber die Nazis wollten jetzt Europa “judenfrei” machen, was ab 1941 bekanntlich Massenmord bedeutete. Er konnte Deutschland nicht mehr verlassen. Aber auch die aufnehmenden Länder wie die USA oder England stoppten die Aufnahmen von jüdischen Flüchtlingen.
Theresienstadt, London und wieder Hamburg
Zusammen mit seiner Schwester Henny, und seiner Partnerin aus erster Ehe, Grete (Gretchen), sowie ihrer Tochter Hilde, wurde er am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt/Terezin deportiert. Henny und Daniel kamen aus dem “Judenhaus” im Jungfrauenthal 37, Gretchen und Hilde aus dem im GroßNeumarkt 56. Hilde starb mit 18 Jahren im Getto, Henny wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Nach der Befreiung des Getto Theresienstadt/Terezin 1945 wanderte Gretchen in die USA aus. Daniel Dublon zog zu seiner zweiten Familie in London. 1950 kamen sie zurück nach Hamburg und er nahm seine Arbeit am Schlachthof wieder auf. Im Alter von 65 Jahren starb er am 30. Januar 1960 in Hamburg.
Am 23. Juni 2022 führen wir um 17 Uhr eine Lesung aus Dokumenten der Familien Daniel, Gretchen und Hilde Dublon auf dem Gehweg Schanzenstraße/Ecke Lagerstraße durch. Am 15. Juli 2022 findet auf dem Schulhof der heutigen Ganztagsgrundschule Sternschanze eine Kundgebung anlässlich des 80. Jahrestag der Deportation statt.