Ida Schwarz wohnte mit ihrem Mann, Willy Schwarz, seit 1936 im Weidenstieg 10, im 4. Stock, damals eine 3 ½ Zimmer-Wohnung. Ida Simsonsohn wurde am 28. März 1872 in Osterholz-Scharmbeck geboren, Willy, am 7. August 1873, in Bremerhaven. Beide hatten am 4. Mai 1899 in Hamburg geheiratet. Bis 1900 wohnten sie im Billhornern Röhrendamm 175, dann zogen sie 1903 in den Steindamm 146. Willy Schwarz kaufte 1909 das Haus im Steindamm 142. Im Parterre war eine übernommene Schlachterei, im 1. Stock lebte die Familie. Sie hatten zwei Kinder: Heinrich wurde am 18. Dezember 1903, Helene am 11. August 1905 geboren.
Mit der Bildung des Hamburger Senats am 8. März 1933 änderte sich auch für sie alles. Die NSDAP bildete mit den konservativen Parteien, der Staatspartei, der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und der Deutschen Volkspartei (DVP) den Senat. Gewählt werden konnte der Senat nur, weil die KPD verboten und nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, nicht die absolute Mehrheit, für seine Wahl zählte. Mit Blick auf die Gräueltaten der Nazi ist heute der Fokus immer auf die NSDAP gereichtet. Aber damals war es ein rechtes Bündnis mit der NSDAP.
Willy Schwarz erlebte diesen damals auch staatlich verantworteten Antisemismus vor seiner Schlachterei in St. Georg Nachbarn erinnerten sich nach 1945 an diese Tage im April 1933. Hertha Brust wohnte im Steindamm 146: “Ich habe selbst beobachtet, dass am Boykott-Tag des Jahres 1933 das Schaufenster des Schlachtereigeschäftes beschmiert war; man hatte eine große Nase darauf gemalt und außerdem mit dem Wort JUDE beschriftet. Wenn ich mich richtig besinne, standen auch SA-Posten vor dem Eingang das Geschäfts.” Ein Beschäftigter von Willy Schwarz: “An die Scheibe des Geschäfts wurde mit großen Buchstaben JUDE geschrieben. Ich sehe es genau vor mir, an der rechten Seite der Scheibe. Vor dem Geschäft zogen SA-Posten auf. Ich kann mich noch erinnern, dass Willy Schwarz mir noch durch einen Rippenstoß dazu brachte, mich zurückzuhalten und ruhig zu sein.” Auch in Ihrer Nähe gab es zu den so genannten Boykott-Tagen in Hamburg solche antisemitischen Szenen wie am Beispiel der Hansa-Apotheke an der Ecke Vereinsstraße/Fruchtallee, wie die Tochter des jüdischen Eigentümer, Erika Freundlich, erzählte.
Willy Schwarz verkaufte 1935 seine Schlachterei am Steindamm 142. Seine Umsätze waren erheblich eingebrochen. Sein Sohn, Heinrich, machte mit einem „arischen“ Schlachter in der Silbersackstraße 21 ein neues Geschäft auf, wurde aber 1938 gezwungen, das Geschäft zu verkaufen.
Die rassistische Lehre der Nazi stufte die jüdischer Menschen in unterschiedliche Kategorien ein, um so ihre Gesamt-Verschwörung zu begründen. Willy Schwarz Großeltern waren nicht alles „Volljuden“, so dass seiner Familie erst einmal keine Deportation drohte. Das änderte sich erst für Ida, nachdem ihr Mann am 18. Januar 1942 gestorben war. Jetzt war sie “schutzlos” und sollte nach dessen Tod die Wohnung verlassen. Da ihr Sohn Heinrich als Mieter der Wohnung eintrat, konnte sie im Weidenstieg wohnen bleiben. Den „Befehl“, sich am 18. Juli 1942 in der Schule Schanzenstraße einzufinden, erhielt sie in ihrer Wohnung im Weidenstieg 10.
Sie wurde auch aufgefordert, ihren Haushalt aufzulösen. Von der “Gestapo wurde mein ganzer Besitz beschlagnahmt,” schrieb sie im August 1947. Am 19. Juli ging es von der Schule Schanzenstraße mit Polizeiwagen zum Hannoverschen Bahnhof (heute Hafencity). Von dort ging es mit der Bahn nach Theresienstadt/ Terezin.
Heinrich Schwarz erhielt am 17. November 1942 ein Schreiben von der Gestapo, dass er sich am folgenden Tage in der Beneckestraße 2 einzufinden hätte und bis dahin die Wohnung zu verlassen hätte. Er nahm einigen Hausrat mit in sein Zimmer in der Beneckestraße. Tatsächlich aber hielt sich Heinrich Schwarz bei den Verwandten Ella Nöhrens auf, zu denen er mit dem Sohn gezogen war. In der Beneckestraße 2 blieb er lediglich polizeilich gemeldet. Er wurde am 10. März 1943 nach Theresienstadt/Terezin deportiert und am 28. September 1944 nach Auschwitz verschleppt, wo er dort ermordet wurde.
Helene Schwarz, das zweite Kinder von Ida, hatte den nichtjüdischen Hermann Müller geheiratet und überlebte die NS-Verfolgung in der „Mischehe“. Ida Schwarz lebte nach ihrer Rückkehr aus Theresienstadt im Haushalt der Tochter in der Hochallee, sie starb am 25. August 1948.