Vor dem Hauseingang der Weidenallee 61 wurde vor kurzem ein weiterer Stolperstein, diesmal für Willi Karl Tiedt verlegt. Er liegt neben dem von seinem Bruder, Walter Tiedt. Wir möchte Ihnen etwas zu Willi Tiedt erzählen, der in der NS-Zeit als Sozialdemokrat im Wohngebiet Widerstandsarbeit mitorganisiert hatte. Gerne möchten wir den Bezug zum Stolperstein aber auch nutzen, um Sie zu einer Kundgebung einzuladen, die am 9. November um 18 Uhr vor der Ganztagsgrundschule Sternschanzen stattfindet, um an die November-Pogrome am 9./10.November 1938 gegen jüdische Menschen und jüdischen Einrichtungen zu erinnern.
Über Willi Tiedt
Willi Tiedt wurde am 1.März.1911 in Altona geboren. Er war der Bruder von Walter Tiedt, für den letztes Jahr ein Stolperstein verlegt wurde. Die Familie Tiedt wohnte mit ihren beiden Kindern seit 1912 in der Weidenallee 61, zunächst im Haus 4 und später dann im Haus 6.
Willi Tiedt besuchte die Volksschule und erlernte den Beruf des Schriftsetzers. Bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1935 arbeitete er bei der Buchdruckerfirma Oscar de Lemos in der Bartelsstraße 92 im Schanzenviertel. Er war seit 1926 in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), der Jugendorganisation der SPD organisiert. Ab 1931 war er Vorsitzender der SAJ Hamburg und blieb auch in der Illegalität ab 1933 einer der führenden SAJ-Funktionäre. Willi Tiedt wurde Anfang Mai 1935 verhaftet und wurde bis November 1935 in „Schutzhaft“ im KZ Fuhlsbüttel festgehalten. Anschließend saß er im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis ein. Der Vorwurf: Von November 1933 bis März 1934 soll er illegale Schriften wie die „Roten Blätter“, die „Sozialistische Aktion, den „Neuen Vorwärts“ sowie Broschüren mit getarnten Titeln wie z.B. „Die Kunst des Selbstrasierens“ (Inhalt Prager Programm der Exil-SPD,), „Platos Gastmahl der Liebe“ und „Das Geheimnis der Kosmetik“ weitergegeben haben. Da die SPD und die SAJ im Juni 1933 verboten worden ware, sah die Hamburger Staatsanwaltschaft darin Hochverrat. Für einen seiner Mitstreiter in Eimsbüttel, Herbert Strzoda, wurde ebenfalls vor kurzen ein Stolperstein in der Lindenallee 74 verlegt. Er gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe.
Willi Tiedt wurde am 5. November 1935 zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt. Er kam am 5. August 1936 aus der Haft. Die Gestapo legte ihm nahe, einen Antrag auf Wiedererlangung der Wehrwürdigkeit zu stellen, die sich aus dem Urteil ergab. Obwohl er ablehnte, wurde er nach Kriegsbeginn zur regulären Wehrmacht eingezogen und zusammen mit anderen politisch Verfolgten zu besonders gefährlichen Einsätzen abkommandiert. Willi Karl Tiedt verlor sein Leben bei einem militärischen Einsatz am 27. Dezember 1941 in Rjabinicka in der Sowjetunion. An ihn erinnert neben dem Stolperstein vor der Weidenallee 61 ein Grabstein auf dem Ehrenfeld der Geschwister-Scholl-Stiftung für ehemalige Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer auf dem Friedhof Ohlsdorf.