Grußwort von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe

Ich danke Ihnen für die Einladung und die Möglichkeit, mich im Rahmen der heutigen Gedenkveranstaltung im Weiden- und Schanzenviertel mit einem Grußwort zu beteiligen. Ich danke der Initiative „Kein Vergessen im Weidenviertel“, dass sie die Veranstaltung organisiert und möglich gemacht hat. Veranstaltungen wie diese, gerade auch solche im kleineren Rahmen, die zum Beispiel von Stadtteilinitiativen getragen werden, sind jenseits der großen, zentralen Gedenkveranstaltungen von besonderer Bedeutung.

Mit Ihrer Initiative reihen Sie sich ein in eine breite, von zahlreichen Initiativen der Zivilgesellschaft getragene Gedenklandschaft in Hamburg. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Kultur des Erinnerns und Bewahrens. Sie übernehmen Verantwortung für das, was war, indem Sie das Gedenken an Geschehenes wach halten. Über dieses Engagement freue ich mich sehr, und ich unterstütze es gern.


Thema Ihrer Veranstaltung ist die Ausgrenzung, Deportation und schließlich die Ermordung eines großen Teils der Schülerinnen und Schüler der ehemaligen Israelitischen Töchterschule. Sie erinnern an einen konkreten Vorgang, der sich für die Menschen, die in der NS-Zeit in Ihrem Viertel lebten, vor ihrer Haustür abspielte. Dadurch machen Sie uns allen deutlich, dass die Entrechtung von Jüdinnen und Juden nicht im Großen begann. Vielmehr wurde sie zunächst im Kleinen, also in der Siedlung, in der Schule, im Viertel, in der Nachbarschaft, spürbar und Realität. Dies macht die Schrecken der Vergangenheit anschaulich.


Wie war es bloß möglich, dass so viele Nachbarinnen und Nachbarn sich abwandten, Hilfe verweigerten, manche sogar bei der Verfolgung mitmachten? Diese Erinnerung enthält zugleich die Mahnung, in der Gegenwart auch im Kleinen wachsam zu bleiben.


So schlagen Sie mit Ihrer Gedenkstunde den Bogen vom Gestern ins Heute. Sie erinnern an Vergangenes und damit zugleich an die Verpflichtung, sich heute gegen jede Form von Hass, Intoleranz, Diskriminierung, Ausgrenzung und Antisemitismus entschieden zu positionieren.


2021 ist das Gedenkjahr an 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Auch daran erinnert eine Veranstaltung wie die heutige. Sie verweisen mit ihr auf das dunkelste Kapitel
jüdischer Geschichte und jüdischen Lebens in Deutschland. Zugleich gehen Sie mit Ihrem Gedenken aber auch darüber hinaus.


Sie rezitieren aus Texten von Esther Bauer, einer überlebenden Schülerin der Israelitischen Töchterschule, und Sie sprechen mit Erika Estis, der letzten noch lebenden Schülerin der Israelitischen Töchterschule. So zeigen Sie, dass die nationalsozialistischen Mörderbanden trotz allen Schreckens und Grauens am Ende ihr Ziel nicht erreicht haben, die Vernichtung des europäischen Judentums und die Vernichtung der Menschlichkeit in unserer Gesellschaft.


In diesem Sinne geht von Ihrer Veranstaltung auch ein positives Zeichen aus; dafür danke ich Ihnen.


Ties Rabe
Senator für Schule und Berufsbildung

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