Emma Lange, seit 1943 bis 1957 Schulleiterin der damaligen Volksschule Schanzenstraße – und davor Stellvertreterin – mochte die “Italiener” nicht, die als kriegsgefangene Soldaten in Schule in den Holzbaracken-Betten leben mussten. Für sie waren es Diebe, unsaubere und dumme Menschen, die noch nicht einmal wussten, wie man eine Klospülung betätige. So hätten sie drei Aborte zertrümmert, nicht aus Mutwillen, sondern aus Unkenntnis, die Becken zu durchspülen, so Emma Lange in einem Schreiben vom 1. Dezember 1943.
Die italienische Armee hatte am 8. September 1943 mit den Alliierten einen Waffenstillstand abgeschlossen. Damit war die militärische Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Verbündeten beendet. Die deutsche Wehrmacht nahm die italienische Soldaten fest und diejenigen, die sich weigerten, in die deutsche Armee einzustreuen, wurden als Zwangsarbeiter vor allem nach Deutschland deportiert. Von den 600.000 verloren mehr als 50.000 Italiener ihr Leben. Als ehemalige Verbündeten waren die Italiener zu “Verrätern” geworden und wurden in Deutschland sehr schlecht behandelt, ähnlich wie die sowjetischen Soldaten.
Über 13.500 italienische Militärinternierten von dem 600.000 wurden nach Hamburg verschleppt. Von September bis Dezember 1943 wurden für diese Zwangsarbeiter über 15.000 Plätze geschaffen, in dem man in den Räumen Holzbetten nach einem Standard einrichtete. Dies erfolgte vor allem in öffentlichen Räumen wie im Lagerhallen und in über 30 Schulen in Hamburg. Vereinzelnd wurde auch in privaten Unternehmen Räume beschlagnahmt und für italienische Militärinternierte wie bei Reemtsma das „Haus Neuenburg“ in Wandsbek oder in der Altstadt in großen Kontorhäusern wie im Heinrich-Bauer-Haus die Holzbetten aufgebaut.
Um die Belegung der Schulen in Hamburg mit den italienischen Soldaten gibt es zwischen den Nazis einen Streit. Die Schulbehörde wollte nach den großen Bombardements im Juli 1943 möglichst schöne Welt machen, obwohl von den 360 Schulen nur ganze 57 unbeschädigt waren. Im Hamburger Kern waren fast alle Schule betroffen, in den Randgebieten eher weniger. Zum 1. September 1943 sollten die Schulen wieder geöffnet werden, um die verbleienden 20.000 Schülerinnen und Schülern für die Kinderlandverschickung zu gewinnen. Ideologisch wollte man aber das Bild eines Neuaufbaus Deutschland transportieren und mit der Vermittlung von Inhalten den besonderen Werten der reinen Bildung für die „Arier“ betonen. Das die Schulen jetzt auf Grund der militärischen Niederlagen nach dem 8. September 1943 ein Ort für italienische Kriegsgefangenen werden sollten, stieß auf Ablehnung. Sie waren Verräter, standen der „großartigen“ Erziehung der Kinder im Wege.
In einem Schreiben der Schulbehörde an das Amt für kriegswichtigen Einsatz (Abteilung der Baubehörde) vom 23.12.1943 kann man dann auch lesen: „In der Schulverwaltung häufen sich die bitteren Klagen aller betroffenen Schulen über die unmögliche Verschmutzung und das unglaubliche der Gefangenen, so dass oft die Frage aufgeworfen wird, ob es zu verantworten ist, dort einmal wieder deutsche Kinder einzuschulen. Auch in der deutschen Bevölkerung hat diese Angelegenheit erheblichen Unwillen ausgelöst…“
Für Emma Lange, Mitglied der NSDAP und verantwortlich als … , war so eine Beschwerde-Person. Am 1. November 1943 schrieb sie, „dass das saubere Schulhaus … jetzt wieder völlig verschmutzt ist… Die Latrinen und Unsauberkeit auf dem Hofe sind für unsere das Schulhaus eng umwohnenden Volksgenossen berechtigte Gründe zunehmenden Anstoßes und bedauerlich anwachsender Unzufriedenheit.“ Die seit zwei Wochen in der Schule festgesetzten Italiener hätten die Aborte zerstört. Außerdem störe es, schreibt Emma Lange am 1. Dezember 1943 an die Schulverwaltung, „dass die Italiener … in großer Anzahl ihr Zeug auswaschen, wobei in allen Stockwerken der Flurboden im weitern Umkreis um die Waschbecken herum stundenlang unter Wasser stehen.“
Italiener bleiben schlechte Menschen, auch nach 1945
Am 3. Mai 1945 befreite die britische Armee Hamburg von der Nazi-Diktatur. Die Nazis haben nichts mehr zu sagen, der Terror fand sein Ende. Emma Lange war – sie sollte es anders sein – folgte immer noch dem rassistischen Bild der Nazi-Ideologie. Obwohl Hamburg in Schutt und Asche Lage, die Straßenzüge um die Schule völlig zerstört waren, wendet sich Emma Lange am 23. Mai 1945 wieder an die Schulverwaltung und schreibt darüber, wie die italienischen Militärinternierten sich nach der Befreiung in der Schule aufgeführt hätten. „In der Nacht vom 6./7. Mai haben die Italiener, die in den oberen drei Stockwerken der Schule untergebracht sind, die Türen zu den der Schulverwaltung vorbehaltenen Räume des Erdgeschoss erbrochen, sowie sämtliche Materialschränke, die Schreibtische der Leiter und das gesamte wertvolle Lehr- und Lernmaterial … gestohlen.“ Klar, so möchte man kommentieren, waren dass die Italiener waren, immerhin war es ja wertvolles deutsches Lehrmaterial, dass man mit nach Bella Italien nehmen wollte, insbesondere die Schreibtische. „Leider sind sämtliche Bemühungen der Schulverwaltung und eine sofortige Durchsuchung des Lagers erfolglos geblieben.“
Auch noch in den 1950er und 1960er Jahren kann die Schulleitung nicht von den Italiener lassen
Ingrid Möller wird 1957 die Nachfolgerin von Emma Lange als Schulleiterin (bis 1982). Sie war auch in der NSDAP und Mitglied der NS-Terrororganisation „Wehrwolf“ . Wie Emma Lange hatte sie auch bei der Entnazifizierung getäuscht. Es kam heraus und sie saß ein Jahr in einem Internierungslager. Emma Lange holte sie danach in die Volksschule Schanzenstraße. In der Verabschiedung ihrer Vorgängerin 1957 und einer vorliegende Rede von 1961 konnte auch Ingrid Möller von den „Italienern“ nicht lassen. Es passte dann auch zu ihrer Rede zum 75 jährigen Bestehen der Schule 1961, dass sie die Deportation der jüdischen Menschen vom 15. und 19. Juli 1942 über die Schule komplett unterschlug. „Als schließlich im Sommer 1946 der Unterricht wieder aufgeommen wurde, war das Haus durch die vorhergelangene Belegung Soldaten … in seine n oberen Stockwerken vorerst nicht für Schulzwecke zu gebrauchen.“ Das die italienischen Milltärinternierten war nach der Befreiung im Juni 1945 ins Lager am Dammtor verlegt worden und im gleichen Monat nach Italien zurückgekehrt, also seit über einem Jahr nicht mehr in der von Bomben zerstörten Schule waren, spielt für Ingrid Möller keine Rolle.