Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Zwei Dinge: die Verfolgung und die Ermordung Hunderttausender Sinti*zze und Roma*nja in der NS-Zeit war Massenmord. Bis heute hat dieses Thema in der öffentlichen Wahrnehmung nicht den Platz, der anlässlich des furchtbaren Geschehens notwendig wäre.
Das Morden fand mit der Befreiung 1945 ein Ende, der Rassismus gegen sie setzte sich fort. Bis heute ist Antiziganismus ein ernstes Thema für uns als ver.di bei der Durchsetzung von Menschen- und Bürgerrechten in Deutschland. Was nach 1945 gegen Sinti*zze und Roma*nja gehetzt wurde, ist bis heute in der Gesellschaft immer noch verankert, da darf man sich m.E. nicht täuschen. Sich für die Menschenrechte gesellschaftlich zu engagieren, heißt für uns als Deutsche besondere Verantwortung Ihnen gegenüber auszufüllen und sie als Minderheit anzuerkennen. Es geht dabei um die Sicherung von Identität, von Kultur und Sprache und deren künftige Pflege. Es muss aber um die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft gehen.
Wenn ihr euch alle umdrehen würdet, euer Blick wäre auf die Vereinsstraße gerichtet. Hier wohnte die Familie Lutz/Rosenberg in der Nummer 18. Wilhelm Lutz wohnte hier mit seinen Geschwister und Eltern. Er gehörte zu den Deportierten vom 11. März 1943 und wurde in Auschwitz am 12. Oktober 1943 ermordet. Mit der heutigen Kundgebung soll an diese zweite Deportation erinnert werden. Wilhelm Lutz war ein Nachbar. Wir dürfen diese Opfer nicht vergessen. Man muss ihre Geschichte erzählen.
Erinnern heißt auch, nicht zu vergessen und die Schlußfolgerungen zu ziehen. Wir haben als ver.di eine klare Haltung: Antiziganismus, Rassismus und Antisemitismus haben bei in der Gesellschaft keinen Platz. In den Betrieben verwahren wir uns dagegen und handeln, wo wir damit konfrontiert sind. Wir schweigen nicht und schauen auch nicht weg. Es ist in erster Linie Sache der Betriebsräte, die Menschenrechte im Betrieb zu sichern, zu gewährleisten und mit Leben zu füllen. Als Gewerkschaft vermitteln wir ihnen diese Pflichten aus dem Gesetz, sich aktiv gegen rassistische Hetze zu wehren und Maßnahmen zu ergreifen. Wir beraten uns mit ihnen, was und wie man heute vorgehen kann. Wir nutzen unsere Rolle in der Unternehmensmitbestimmung, um die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten seitens der Unternehmensverfassungs und -philopsophie hervorzuheben, ihre Mißachtung nicht zu tolerieren. Mit unseren Tarifverträgen sichern wir in erster Linie die sozialen Rechte, was eine wesentliche Voraussetzung für die Menschenrechte ist.
Wir leben in dieser Gesellschaft und stoßen, das erleben wir, dabei auf das pralle Leben. Wir wissen, dass der Antiziganismus in den Verhältnissen unseres Landes noch verankert ist. Wir wissen, dass rechte Kräfte von der Hetze leben, um ihre völkischen Ansichten zu verbraten. Sie hoffen, Einfluss zu gewinnen, in dem man Menschen ausgrenzt und versucht, sie außerhalb der vermeintlichen “eigenen” Kultur zu stellen. Es soll der Stammtisch bedient werden. Rassismus, Antiziganismus setzt auf die Spaltung der Belegschaften. Das ist mit uns nicht zu machen. Unser Antwort heißt: Solidarität!
Wenn wir uns heute hier zusammen treffen, um an die Deportation von über 330 Sinti*zze und Roma*nja von Hamburg nach Auschwitz erinnern, so ist Mahnung, das nicht zu vergessen und heute gegen Antiziganismus aufzutreten. Die Roma und Sinti-Verbänden in Hamburg haben uns an ihrer Seite!
(Es gilt das gesprochene Wort)