Redebeitrag am 29. Juni 2023 von Bodo Haß, stellvertretender Vorsitzender der GEW Hamburg

Alberto Jonas, Recha Lübke, Clara und Walter Bacher, Louis Satow, Dorothea Elkan, Laura Rosenberg, Amalie Köster: Das sind die Namen der Menschen, über die wir heute hören werden. Ganz unterschiedliche Menschen, die hier im Viertel zur Zeit des Nationalsozialismus lebten, lernten und lehrten. Menschen, die rassistisch und antisemitisch verfolgt wurden, Menschen, die versucht haben, dem Nationalsozialismus etwas entgegen zu setzen und ja, Menschen die aus dieser Schule heraus am 19. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert wurden. 

Aus dieser Schule, in der wir nun sitzen, vielleicht selber unterrichten, unterrichtet wurden oder unsere Kinder zur Schule gehen. 

Mein Sohn ging von 2000-2004 in die Grundschule Ludwigstraße. Immer, wenn ich ihn dort abholte, irritierte mich die Trennung nach Jungen und Mädchen, die als Inschrift noch über den Eingängen stand. Gleichzeitig war es für mich ein Zeichen dafür, wie alt diese Schule schon war und von wie vielen Generationen von Schüler:innen sie schon durchlaufen wurde. Ein Zeichen der Ideologie, die damals als diese Inschrift gesetzt wurde, noch da darin bestand, dass Mädchen und Jungen getrennt unterrichtet wurden und auch unterschiedliche Dinge lernen sollten. 

Das getrennte Unterrichten von Jungen und Mädchen hat meine Frau noch als Schülerin erlebt, das ist also noch gar nicht so lange her. 

Für den Nationalsozialismus war die Schule das Mittel zur Indoktrination ihrer Schüler:innen zu zukünftigen Soldaten und Frauen an der Heimatfront, zum Rassenwahn usw. usw. Dem damals etwas entgegen zu setzen war schwierig und häufig lebensgefährlich. Viele Menschen wollten dem aber gar nicht widersprechen, sie schauten weg, waren vielleicht selbst überzeugte Nationalsozialist:innen oder profitierten von einer frei werdenden Wohnung.

Schulgebäude sind lebendige Geschichte, sie tragen in sich die Geschichte der Menschen, die hier gewirkt haben und der Taten, die hier geschehen sind. 

Und so ist es wichtig diese Geschichte auch gemeinsam mit den Menschen, die jetzt hier wirken, aufzuarbeiten.  Eine Gedenktafel zur Deportation im Juli 42, wie diese hier draußen an der Schule an der Altonaer Straße, ist dafür ein sinnvolles Mittel. Sie ist Anlass zum Erinnern und Austausch. Der Besitz eines solchen Hauses bringt dann auch eine Verantwortung für den Eigentümer, also Schulbau Hamburg, dieser Geschichte Raum zu geben und sie angemessen zu würdigen. Schließlich ist sie die einzige Hamburger Schule, aus der heraus Deportationen stattgefunden haben.

Gleichzeitig ist die Schule kein Museum, hier werden jetzt die Kinder dieser Generation unterrichtet.  Wir wirken jetzt hier und so ist es auch unsere Aufgabe diesen Raum zu prägen, dafür zu sorgen, dass hier kein Mensch rassistisch, antisemitisch, sexistisch oder anders verfolgt oder bedrängt wird. Schule soll ein Raum sein, in dem wir die uns anvertrauten Schüler:innen darin unterstützen zu wachsen. 

Während wir hier heute Menschen gedenken, die in unserem Viertel von den Nationalsozialist:innen verfolgt wurden, ist in Deutschland der Rechtsradikalismus wieder am Erstarken. Die, gerade in Thüringen, klar rechtsradikal auftretende AFD gewinnt den Sitz eines Landrates und ein großer Teil der Bevölkerung geht bei der Stichwahl nicht mal zur Wahl.

Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov, das sind die Namen der Menschen, die am 19. Februar 2020 in Hanau bei einem rassistischen Anschlag ermordet wurden. Menschen, die ermordet wurden, weil sie nicht in das Weltbild des Attentäters passten.

Gestern wurde die Projektkoordinatorin des Vereins Opferperspektiven in Potsdam auf Tagesschau.de damit zitiert, dass „Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit rechten Straftaten, Propaganda, Drohungen und Gewalt in der Schule und ihrem Umfeld“ machten. Das zeigt uns noch einmal, dass der Anspruch, alle Schüler:innen bei ihrem Wachstum zu unterstützen, ein sehr hoher ist. Wir als Mitglieder unserer Schule sind hier gefragt. Es gilt angegriffene Schüler:innen, Eltern  und Kolleg:innen zu unterstützen und zu schützen, aber auch in Konflikten zu agieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen oder gemeinsam zu entwickeln.

Auch Menschen, die wir schätzen und mögen, müssen wir klar widersprechen, wenn sie sich in rassistischen Platitüden verlieren. 

In einer Fortbildung, die ich einmal gemacht habe, ging es darum, aus einem „furchtbaren Moment“ einen „fruchtbaren“ zu machen. Das ist unsere Aufgabe als Pädagog:in, aber auch als Freund:in oder Kolleg:in.

Das ist nicht immer einfach, aber sicherlich einfacher als es 1942 in dieser Schule war, als hier 1500 Menschen nach Theresienstadt deportiert wurden. Ein wahrlich furchtbarer Moment seiner ganz eigenen Art. Vielleicht gelingt es uns, dass Gedenken an diesen Tag und an die Menschen für uns in unserem Handeln fruchtbar werden zu lassen. Dann wäre mit dieser Veranstaltung viel erreicht! Als Gewerkschaft wollen wir dazu unseren Beitrag leisten!

  • Alberto Jonas, Recha Lübke, Clara und Walter Bacher, Louis Satow, Dorothea Elkan, Laura Rosenberg, Amalie Köster

Liebe Kolleg:innen, liebe Eltern, liebe Gäste, Schüler:innen und Freund:innen, ich freue mich sehr darauf, mit Ihnen und Euch nun den verschiedenen Beiträgen und Biographien zuhören zu dürfen. Vielen Dank für Ihr Interesse, ein ausdrückliches Dankeschön an dieser Stelle, auch im Namen der Hamburger Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, GEW, an die Vorbereitungsgruppe, insbesondere Holger Artus und allen nun Vortragenden.

Vielen Dank!

Hamburg, 29.06.23 

Bodo Haß, 2. Stellvertretender Vorsitzender der GEW-Hamburg

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