Liebe Nachbarn, am 28. Juni 2023 findet ein Stadtteilrundgang durch die Straßenzüge bei uns im Viertel statt, der sich mit dem Thema „Widerstand in der NS-Zeit“ befasst. Anlass ist der Jahrestag der Deportation von über 1.500 jüdischen Menschen über die damalige Schule Schanzenstraße am 15. und 19. Juli 1942. Wir wollen an sie mit einer Kundgebung vor der Namenstafel der Juli-Deportierten im Haupteingang der Ganztagsgrundschule Sternschanze in der Altonaer Straße 38 am 19. Juli 2023, 17 Uhr, erinnern. Wir wollen aber auch das Bild vermitteln, dass es Menschen gab, die sich gegen das NS-Regime stellten und handelten. Es soll um Solidarität, Selbstbehauptung, Ungehorsam, Ablehnung des Krieges und den politischen Widerstand gehen. Wir starten vor der Schanzenstraße 41, wo einst das Büro von Carl von Ossietzky war, dem Friedensnobelpreisträger, der 1938 ermordet wurde. Der Rundgang führt weiter durch die Bartelsstraße, die Amandastraße, die Schäferstraße und endet vor dem Eingang in den Hinterhof zur Weidenallee 10 bc.
Den Ort haben wir bewusst gewählt. Das Ringen der Menschen, zu überleben, sein Gewissen nicht abzugeben, sich als Verfolgte und Verleumdeten trotz alledem zu behaupten und zusammen zu stehen, gehörte zum Widerstand gegen das NS-Regime dazu. Die damalige Werkschule in der Weidenallee 10bc bot den Jugendlichen vieles, um zu überleben. Sie bot Hoffnung für ein besseres und solidarisches Leben. Sie bedeutete Wertschätzung und Achtung. Die Werkschule sollte den Jugendlichen eine Ausbildung als Schlosser und Tischler verschaffen, so dass sie diese Fertigkeiten in der Emigration anwenden können.
Diese Tage gab es Gespräch mit dem wohl noch einzigen lebenden Zeitzeugen aus der Werkschule, Kurt Goldschmidt. Er lebt in New York und ist gerade 100 Jahre alt geworden. Er sprach u.a. eine Sportfeier die sie im Stadtpark organisiert hatten oder auf zu anderen Sportfesten fuhren.
Mit dabei war auch der Ausbildungsleiter, Walter Mannheim, aus der Schäferstraße 8, wo heute Stolpersteine an die Familie erinnern. Trotz des furchtbaren Geschehens am 9. November 1939, den November-Pogrome, der ersten Deportation am 28. Oktober 1939, gaben die jüdischen Jugendlichen ihre Hoffnung nicht auf.
Wir können das Geschehene nicht ändern und tragen als Nachgeborene keine Schuld, aber wir tragen m.E. Verantwortung, in angemessener Form damit umzugehen. Vielleicht sehen wir uns am 28. Juni 2023 auf der Weidenallee 10?
Wir wollten Sie vorab informieren, so dass Sie im Zweifel wissen, warum sich in der Nähe Ihres Wohnhauses Menschen einfinden. Natürlich sind sie willkommen. Wir sind voraussichtlich um 18.45 Uhr vor der Einfahrt auf Höhe der Weidenallee.